Konsistenz
Eine Menge von Aussagen ist konsistent (widerspruchsfrei) gdw. sich aus ihnen kein Widerspruch ableiten läßt. Wir sahen bereits, daß Konsistenz eine elementare Forderung ist, die man an Theorien stellen muß. Dasselbe Erfordernis trifft jeden wissenschaftlichen Text. Wenn ich z.B. auf S. 10 sage, dass Deutsch keine Postpositionen hat, und auf S. 20 den Ausdruck ihrer Kinder wegen als Beispiel anführe, ist mein Text inkonsistent.
In jedem Argument ist zu zeigen, wie der zweite Schritt aus dem ersten folgt. Bei Behauptungen verweist man daher zurück auf ihre Voraussetzungen (die sich in einem früheren Kapitel befinden können). Ein solcher logischer Zusammenhang besteht z.B. zwischen der in der Einleitung eingeführten Theorie, den aus ihr abgeleiteten Analyseprinzipien, der Analyse selbst und ihren Ergebnissen. Ein Argument, dessen Schlußfolgerung nicht aus den Prämissen folgt, ist inkonsistent (genauer, ein non sequitur).
Aus der Aussagenlogik sind eine Reihe von Argumentations- oder Schlußfiguren (traditionell modi genannt) bekannt, die aus logischen Gründen immer funktionieren. Dazu zwei Beispiele:
- Modus tollendo ponens: Wenn z.B. die Prämisse ist, daß eine Alternative (d.h. eine von zwei kontradiktorischen Aussagen) wahr ist, dann kann man zeigen, daß eine der beiden Aussagen falsch ist, und somit hat man bewiesen, daß die andere wahr ist.
Bsp.: Die Prämisse ist, dass ein Pferd entweder ein Hengst oder eine Stute ist. Wir zeigen, dass ein gegebenes Pferd kein Hengst ist. Nun brauchen wir nicht einmal mehr nachzusehen, um zu wissen, dass es eine Stute ist.
- Modus tollens: Wenn z.B. die Prämisse ist, daß aus einer Aussage eine zweite folgt, dann kann man zeigen, daß die zweite falsch ist, und somit hat man bewiesen, daß die erste ebenfalls falsch sein muß.
Bsp.: Die Prämisse ist, dass wenn ein frisches Stück Fleisch bei -18° in der Tiefkühltruhe liegt, es nach einer Woche noch genießbar ist. Nun ist ein gegebenes Stück Fleisch, das vor einer Woche frisch war, danach ungenießbar. Wir schließen, dass es derweil nicht bei -18° in der Tiefkühltruhe gelegen hat.
In dem Maße, in dem man sich mit seiner Argumentation an die Logik hält, sichert man also ihre Konsistenz.
Ein Text ist kohärent (zusammenhängend) gdw. seine Teile miteinander zusammenhängen. Im einzelnen:
- Behauptungen dürfen nicht unverbunden nebeneinander stehen, Hypothesen können nicht aus der Luft gegriffen werden. Man streut keine Gedankensplitter in den Text ein und wechselt nicht sprunghaft das Thema.
- Referate, deren Belang für das Thema der Arbeit unklar ist, führen zu Inkohärenz.
- Termini, Symbole, Diagramme, Wertetabellen usw., die ohne Erläuterung vor den Leser gesetzt werden, führen zu Unverständnis.
- Unnötige Wiederholungen sind redundant. Unabsichtliche Wiederholungen verwirren den Leser, da er nicht weiß, was der Autor damit beabsichtigt. Falls etwas wiederholt werden muß (z.B. weil es zu weit zurückliegt), so ist das unter Verweis auf das erste Vorkommen explizit zu machen.
- Fragen können nicht ohne weiteres offen gelassen, Lücken nicht ohne weiteres ungefüllt bleiben. Der Autor hat Fragen, die sich dem Leser aufdrängen, vorweg zu nehmen und entweder zu beantworten oder auf die spätere Behandlung zu vertrösten oder zuzugeben, daß er sie nicht beantworten kann.
- Klassifikationskriterien müssen unter Rekurs auf die Begriffsdefinitionen gerechtfertigt werden. Dann muß zunächst erläutert werden, wie sich das Kriterium in einem Test operationalisieren läßt und wie die Ergebnisse des Tests interpretiert werden. Erst dann kann das Kriterium angewandt werden.
Die Teile einer wissenschaftlichen Arbeit müssen auf allen Ebenen in einem gewissen Gleichgewicht bzw. einer vernünftigen Proportion stehen:
- Das Vorwort sollte kürzer sein als die Einleitung.
- Einleitung und Zusammenfassung müssen kürzer sein als der Hauptteil.
- Es kann nicht mehr Referat als eigenen Gedankengang geben.
- Es kann – jedenfalls im laufenden Text – nicht mehr Datenpräsentation als Analyse und Diskussion von Daten geben.
- Allgemein muß der Aufwand in der Erhebung und Untersuchung in einem vernünftigen Verhältnis zu den Ergebnissen stehen.
- Die Kapitel bzw. Abschnitte auf derselben hierarchischen Ebene müssen einigermaßen gleich lang sein. Z.B. kann eine Arbeit von 30 S. normalerweise kein Hauptkapitel vom Umfang einer Seite haben.
- Wo inhaltlicher Parallelismus besteht, sollte auch die Länge parallel sein.
- Absätze sollten einen vernünftigen mittleren Umfang haben. Sowohl der Hang, jeden Satz zum Absatz zu erheben, als auch das Versäumnis, pro Seite mindestens einen Absatz zu machen, lassen auf fehlende gedankliche Gliederung schließen.