Eine spelling pronunciation (engl. “schreibungsbasierte Aussprache”) ist die Aussprache eines Ausdrucks – normalerweise eines Fremdwortes – auf der Basis seiner Schreibung. Angenommen, ein Ausdruck der Sprache L1, der dort die orthographische Repräsentation O
und die Aussprache A1
hat, wird nach L2 entlehnt. Dann wäre der Normalfall, daß seine Ausprache A2
eine gemäß den Regeln von L2 angepaßte Abwandlung von A1
ist, also jedenfalls auf A1
basiert. Eine spelling pronunciation hingegen ist eine A2
, die von A1
nichts weiß, sondern O
nach den orthographischen Konventionen von L2 interpretiert und A2
daraus ableitet.
Beispiele:
- Die spanische Aussprache des Ländernamens Chile ist [ˈʧilɛ]. Seine deutsche Aussprache ist [ˈçi:lə]. Der Anlaut ist [ç] nicht etwa deswegen, weil das die deutsche Wiedergabe von spanisch [ʧ] wäre, sondern weil es die deutsche Aussprache von <ch> (in diesem Kontext) ist.
(Das Gegenstück hierzu ist der italienische Name des Landes. Es heißt auf Italienisch <Cile>; Aussprache [ˈʧilɛ] wie im Spanischen. Würden die Italiener spelling pronunciation anwenden, so würden sie die Schreibung <Chile> belassen und [ˈkilɛ] sprechen.)
- Ebenso ist es bei dt. Machete [maˈχe:tə] gegenüber span. machete [maˈʧɛtɛ] “Buschmesser”.
- Das Wort Joghurt ist über das Englische aus dem Türkischen gekommen. Der Digraph <gh> repräsentiert gemäß einer Konvention der englischen Orthographie den Laut [ɣ] des türkischen Originals. Diese Konvention ist freilich im Deutschen unbekannt, und es existiert in dieser Sprache überhaupt keine orthographische Konvention zur Wiedergabe des Lauts [ɣ]. Folglich wird die Sequenz <gh> nach deutschen orthographischen Regeln interpretiert. Da kommt sie nur an inneren Silbengrenzen, wie in Klugheit, vor und wird da [kh] gesprochen. So kommt die deutsche Aussprache [ˈjoːkhuɐtʰ] zustande. (Ironischerweise würde im Deutschen eine Schreibung gerade ohne das <h>, welches die Frikativierung symbolisieren soll, zu einer Aussprache [nämlich mit [g] ] führen, die dem Original näher kommt.)