Wenn man die Satzbedeutung in elementare Propositionen dekomponiert, haben diese zahlreiche Elemente miteinander gemeinsam; denn die Assertion bezieht sich ja auf die Präsuppositionen. Das Element, welches in der Assertion, nicht jedoch in den Präsuppositionen enthalten ist, heißt Fokus. Wir betrachten noch einmal das Beispiel, welches im Abschnitt über Präsuppositionen die Skopusoperatoren illustriert.
B1. | Auch Erna hat Erwin geheiratet. |
Die Bedeutung von B1 läßt sich wie folgt in Präsuppositionen und Assertion zerlegen:
- Präsuppositionen: Einige Personen haben Erwin geheiratet.
- Assertion: Erna hat Erwin geheiratet.
Wie man sieht, ist Erna dasjenige Element, in dem die Assertion sich von den Präsuppositionen unterscheidet. Sie ist daher der Fokus in B1.
Die Ausdrucksmittel für den Fokus sind vielfältig. Immer hat er emphatischen Satzakzent, oft verbunden mit gehobener (und nach dem Akzent abfallender) Intonation. Dies wird in B2 und B3 durch Unterstreichung symbolisiert.
B2. | a. | Ihren eigenen Geburtstag hat Erna vergessen. |
b. | Erna hat ihren eigenen Geburtstag vergessen. |
Wie die Beispiele zeigen, kommt es auf die prosodische Markierung an, während die Wortstellung im Deutschen relativ frei ist.
Der Fokus ist normalerweise lexikalisch besetzt. Denn er soll ja neue Information enthalten; das ist bei Pronomina nicht so leicht möglich. Allerdings geht es nicht um die Neuigkeit des Referenten an sich, sondern um die Tatsache, daß es dieser Referent ist, für welchen die Assertion gilt. In diese Relation kann auch ein Pronomen eintreten, z.B. in B3.b.
B3. | a. | Wer hat das getan? - |
b. | Ich habe das getan. |
Der Sprecher ist als solcher natürlich kein neuer Referent; aber daß er Partizipant in der assertierten Situation ist, ist neu.
B3 zeigt nebenbei, daß es eine syntaktische Konstruktion gibt, in der die Fokusfunktion grammatikalisiert ist: Im pronominalen Interrogativsatz steht das Interrogativpronomen im Fokus; und dito steht in der Antwort das Syntagma, welches das Interrogativpronomen ersetzt, im Fokus. S. dazu den Abschnitt über Satzspaltung.
Während für den Topic, wie in dem betreffenden Abschnitt gezeigt, am besten aktivierte Referenten geeignet sind, kann im Fokus ebensowohl ein aktiver wie ein nagelneuer Referent stehen.
B4. | a. | Ich hatte Erna und Erwin im Verdacht; und weißt du, wer es war? - Nein. |
b. | Erna. | |
c. | Friedrich. |
So kann der Sprecher des ersten Satzes von B4.a in gleichermaßen kohärenter Weise mit #b oder mit #c fortfahren.
Die stärkste Form von Fokus ist der Kontrastfokus. Hier insistiert der Sprecher darauf, daß von allen lexikalischen Einsetzungen, die man in Betracht ziehen könnte und die der Hörer vielleicht für wahr hält, nur eine infrage kommt. Er kontrastiert also die von ihm indossierte Einsetzung mit allen anderen im Redeuniversum befindlichen oder denkbaren, wie im zweiten Satz von B5.
B5. | Wir haben Erna getroffen. - Nein, wir haben Erwin getroffen. |
Hierfür würden die meisten Sprachen (außer Deutsch) einen Spaltsatz bilden.