Ein Zeichen ist etwas Wahrnehmbares, an das eine Bedeutung gekoppelt ist. Da Bedeutungen nur von Lebewesen – normalerweise nur von Menschen – geschaffen werden, gehören zum Begriff des Zeichens zwei Relationen:

Ein sprachliches Zeichen (oder Sprachzeichen) ist ein Zeichen, das Bestandteil einer Sprache (einer ‘langue’) ist. Nicht alle Zeichen funktionieren auf dieselbe Weise. Für Sprachzeichen jedenfalls gilt folgendes:

1. Die semantische Relation ist so eng, daß die Bedeutung zum Bestandteil des Zeichens wird. Das Sprachzeichen ist folglich eine bilaterale Entität, denn es besteht aus Ausdruck und Inhalt. Seit Saussure 1916 wird dieses dyadische Zeichen schematisch wie folgt dargestellt:

Bilaterales Zeichen

Im Beispiel rechts sind Significans und Significatum des deutschen Wortes Fohlen in der konventionellen abgekürzten Weise dargestellt. In einer vollständigeren Darstellung wäre das Significans als zweidimensionale Matrix phonologischer Merkmale und das Significatum als Menge elementarer Propositionen repräsentiert.1

Für diese beiden Komponenten gibt es eine Reihe allermeist synonymer Termini, die im folgenden aufgeführt sind:

Seiten des bilateralen Sprachzeichens
SpracheTerminiBemerkung
dt.AusdruckInhalt
Laut(seite)Bedeutung(sseite)
SignifikantSignifikat
BezeichnendesBezeichneteszu meiden
lat.SignificansSignificatum
SignansSignatum
frz.signifiantsignifiéSaussure 1916
engl.expressioncontentHjelmslev 1953
formmeaningzu meiden

Viele von diesen Termini sind gleichzeitig umgangssprachliche Ausdrücke, die verschieden verstanden werden. Die Wörter Significans und Significatum dagegen sind ausschließlich linguistische Termini, die so definiert sind, wie hier erläutert. Immer, wenn Präzision in einem theoretischen Sinne benötigt wird, sind diese Termini vorzuziehen.

2. Das Zeichen existiert nur als Bestandteil einer bestimmten Sprache (‘langue’). Das impliziert:

3. Die Assoziation von Significans und Significatum beruht in erster Linie auf einer Konvention der Sprachgemeinschaft. Diese Konvention kann auf verschiedene Weise motiviert sein. Es gibt jedoch keine Naturgesetze oder Gesetze der Logik, welche die Assoziation notwendig machten. Anders gesagt, aus einem gegebenen Significans ergibt sich nicht nach allgemeinen Gesetzen sein Significatum, oder umgekehrt. Es ist daher oft unmöglich, von einem erstmals gehörten Significans sein Significatum zu erschließen. Ob es im Einzelfall möglich ist, hängt von der Art und vom Ausmaß der Motivation dieser Assoziation sowie von subjektiven und situationsbezogenen Faktoren ab.

Insoweit die Assoziation eines Significans mit einem Significatum nicht motiviert ist, ist sie arbiträr. Die Arbitrarietät ist gerade eine typische Eigenschaft des Sprachzeichens. Andere Zeichen – z.B. Gesten – sind typischerweise weniger arbiträr. Näheres anderswo.

4. Significans und Significatum sind Bestandteile der sprachlichen Form, nicht der Substanz (s. Form vs. Substanz. Das besagt, daß sie abstrakt, also von ihrer jeweiligen Verwendung in Sprechsituationen unabhängig sind.

4. ‘Significans’ und ‘Significatum’ sind korrelative Begriffe. Das besagt: Nichts ist ein Significans an und für sich, sondern es ist höchstens das Significans von einem Significatum; und umgekehrt.

Literatur

Hjelmslev, Louis 1953, Prolegomena to a theory of language. Baltimore, MD: Indiana University Publications in Anthropology and Linguistics (International Journal of American Linguistics, 33(3), II/21) (2. ed. (slightly rev.): Madison: Univ. of Wisconsin Press, 1961).

Saussure, Ferdinand de 1916, Cours de linguistique générale, publié par Charles Bally et Albert Séchehaye avec la collaboration de Albert Riedlinger. Paris: Payot (2. éd.: 1922; 3. éd.: 1931. Dt.: Saussure 1967 [LIDO 9592]).


1 In Saussure 1916:97-100 ist die Rede von image acoustique (“Lautbild”) und concept (“Begriff”), und letzterer ist mit einem Abbild des Gegenstandes illustriert. Das ist äußerst irreführend, denn es geht hier nicht um psychische Entitäten, sondern um Einheiten des Sprachsystems.

2 Die Gesamtheit dieser Relationen eines Zeichens heißt in Saussure 1916 sein Wert (‘valeur’).