Die signifikativen Subsysteme der Sprache (Lexikon und Grammatik) assoziieren Ausdrücke und Inhalte miteinander. Diese Zuordnungen ("Abbildungen") sind freilich keine 1:1-Relationen, sondern n:n-Relationen.

Die beiden Perspektiven im Lexikon

Das folgende Diagramm stellt die beiden Richtungen der Zuordnung von Ausdruck und Inhalt am Beispiel des Verbs unterhalten dar.

Onomasiologie und Semasiologie im Lexikon

Wenn man von den Inhalten ausgeht (in onomasiologischer Hinsicht), handelt es sich um den sprachlichen Ausdruck der Situation ‘X divertiert Y’. Dazu stehen im Deutschen u.a. die angeführten Verben zur Verfügung.

Wenn man von den Ausdrücken ausgeht (in semasiologischer Hinsicht), handelt es sich um die Bedeutungen des Verbs X unterhält Y. Dazu gehören u.a. die angeführten Bedeutungen, die durch folgende Beispiele illustriert werden:

Ein Beispiel aus der Verwandtschaftsterminologie findet sich auf separater Seite.

Die beiden Perspektiven in der Grammatik

Das folgende Diagramm stellt die beiden Richtungen der Zuordnung von Ausdruck und Inhalt am Beispiel des deutschen possessiven Genitivs dar:

Onomasiologie und Semasiologie in der Grammatik
Onomasiologische und semasiologische Perspektive am Beispiel des deutschen possessiven Genitivs

In onomasiologischer Hinsicht handelt es sich um den sprachlichen Ausdruck einer possessiven Beziehung zwischen einem X (Possessum) und einem Y (Possessor). Dazu stehen im Deutschen u.a. die angeführten Strukturmittel zur Verfügung, die durch folgende Beispiele illustriert werden:

In semasiologischer Hinsicht handelt es sich um die Bedeutungen/Funktionen des deutschen Genitivs. Dazu gehören u.a. die angeführten konzeptuellen Relationen, die durch folgende Beispiele illustriert werden:

Die Rolle der beiden Perspektiven in der Linguistik

Wie man sieht, macht es methodisch einen Unterschied, ob man von einem Inhalt bzw. einer sprachlichen Funktion ausgeht und untersucht, durch welche Strukturmittel sie in einer Sprache ausgedrückt wird, oder ob man von einem sprachlichen Ausdruck und dessen Struktur ausgeht und seine Inhalte bzw. Funktionen untersucht. Die erste Perspektive ist die onomasiologische, die zweite die semasiologische.

Man kann die beiden Perspektiven auf Redeerzeugung und Redeverstehen beziehen. Systematisch betrachtet, geht der Sprecher onomasiologisch vor, da er von Inhalten ausgeht und zu diesen die passenden Ausdrücke sucht; und der Hörer geht semasiologisch vor, da er von Ausdrücken ausgeht und zu diesen die Inhalte sucht.

Der Onomasiologie liegt eine semantische Systematik, also ein System der Begriffe, begrifflichen Relationen und Operationen sowie der Funktionen von Kommunikation und Kognition zugrunde, das teilweise außersprachlich, sonst übereinzelsprachlich ist. Der Semasiologie liegt eine strukturale Systematik, also ein System der Einheiten, Relationen und Prozesse des Ausdrucksmediums zugrunde, das ebenfalls teilweise außersprachlich, sonst übereinzelsprachlich ist.

Wie die obigen Beispiele zeigen, spielen Onomasiologie und Semasiologie sowohl im Lexikon als auch in der Grammatik eine Rolle:

Ein zweisprachiges Wörterbuch nimmt darauf Rücksicht, daß der Benutzer über die Inhalte in seiner Muttersprache verfügt. Hier vertritt der muttersprachlich-fremdsprachliche (z.B. deutsch-englische) Teil das onomasiologische Wörterbuch, und der fremdsprachlich-muttersprachliche (z.B. englisch-deutsche) Teil vertritt das semasiologische Wörterbuch.

Sowohl Onomasiologie als auch Semasiologie gewähren eine einseitige Sicht. So wie jeder seine Sprache sowohl als Sprecher als auch als Hörer verwendet, so müssen die beiden Perspektiven in der Sprachbeschreibung einander ergänzen.


1 Die Unterscheidung dieser beiden Arten von Wörterbüchern wurde, wenn auch mit anderen Termini, spätestens von G.F. Leibniz 1696f eingeführt.