Effabilität (wörtl. “Aussprechbarkeit, Sagbarkeit”) ist die Eigenschaft einer Sprache, daß man in ihr alles sagen kann. Mit “alles” ist alles überhaupt Denk- und Kommunizierbare gemeint. Dazu gehören insbesondere auch Inhalte, denen nichts in der außersprachlichen Wirklichkeit entspricht, somit also auch die Fähigkeit zu lügen (Prävarikation).
Es ist allerdings nicht ganz klar, wie die in der Definition auftretenden Begriffe zu operationalisieren wären.
- Das betrifft zum einen den Begriff “alles Denk- und Kommunizierbare”:
- Der Begriff wird zwar behandelt wie ein logischer Begriff, er ist aber versteckt anthropozentrisch: Aus der biologischen Erkenntnistheorie ist bekannt, daß die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen beschränkt sind. Somit kann der Ausdruck nur meinen “alles, was Menschen denken und kommunizieren können”.
- Wenn unter den Begriff auch einzelsprachabhängige Inhalte fallen sollen, also z.B. semantische Nuancen lexikalischer oder grammatischer Einheiten, die mit deren “Wert” (im Sinne de Saussures) im einzelsprachlichen System oder ihren Konnotationen zu tun haben, so ist zweifelhaft, ob menschliche Sprachen Effabilität haben, weil es in jeder Sprache zahlreiche solche Bedeutungsnuancen gibt, die zwar erläuterbar, aber nicht übersetzbar sind.1 Dieses Problem würde man vermeiden, wenn man die gemeinten Inhalte außersprachlich konzipiert. Das wäre möglicherweise der Intention des Begriffs ‘Effabilität’ durchaus angemessen, aber es wäre kaum zu operationalisieren.
- Dito ist zu klären, was mit “sagbar” gemeint ist. Selbst wenn man zuläßt, daß eine Erläuterung oder Umschreibung an die Stelle eines Übersetzungsäquivalents treten kann, wäre es in vielen Fällen, z.B. bei wissenschaftlichen Fachbegriffen, notwendig, vorab die Wortbildungsmöglichkeiten der Sprache zu erweitern, bevor man äquivalente Termini für einen vorgegebenen Begriff bilden kann. Hat man dann nicht die Sprache verändert, deren Effabilität man feststellen wollte?
Ferner ist (wie stets bei Universalien) die methodische Funktion des Begriffs ‘Effabilität’ ambivalent.
- Effabilität wird gemeinhin allen natürlichen menschlichen Sprachen zugesprochen. Sie wäre also eine konstitutive Eigenschaft menschlicher Sprache, würde also zum Definiens von ‘Sprache’ gehören. Dann würden Gegenstände, die keine Effabilität besitzen, nicht unter diesen Begriff fallen. In dieser Funktion eignet sich der Begriff zur Ausgrenzung aller bekannten nicht-menschlichen Kommunikationssysteme. In der Tat ist kein tierisches Kommunikationssystem bekannt, das Effabilität hätte: soweit bekannt, beziehen sich die übermittelten Inhalte stets auf die jeweilige “Sprech”situation.
- Stattdessen kann der Satz “alle natürlichen menschlichen Sprachen haben Effabilität” als eine empirische Generalisierung gemeint sein. Dann kann es Sprachen geben, die diese Eigenschaft nicht haben. Infrage kommen hier nicht nur Pidgin-Sprachen und moribunde Sprachen, sondern evtl. auch einige Sprachen, die durchaus in ihrer Sprachgemeinschaft traditionelles erstes Verständigungsmittel sind. Diese These ist zwar umstritten, aber die schiere Möglichkeit ist dann jedenfalls gegeben. Läßt man sie zu, dann taugt Effabilität nicht mehr zur Abgrenzung menschlicher gegenüber anderen Sprachen; und dann wäre die Frage, was sonst das Abgrenzungskriterium ist.
1 z.B. die Bedeutung von Modalpartikeln wie dt. halt