Lemmata

Der Lexikoneintrag wird, wie gesagt, von einem Lexem konstituiert. Das ist eine abstrakte Einheit, nämlich das Wort ohne jegliche syntaktisch relevante Flexion; also ein Substantiv in keinem Kasus oder Numerus, ein Verb in keiner Person, keinem Numerus usw. Daher ist das Lemma, das das Lexem in einem linguistischen Lexikon repräsentiert, der Stamm bzw. die Wurzel. Lemmata im deutschen Lexikon wären also z.B. Leut- und werf-. In einigen Sprachen, z.B. im Sanskrit, entspricht dies durchaus der lexikographischen Tradition. In anderen Sprachen wird das Lemma von traditionellen Zitierformen des Lexems gebildet, also z.B. für Substantive vom Nominativ Singular, für Verben vom Infinitiv Präsens. In der Schulgrammatik heißen sie manchmal “Grundformen”; aber das ist irreführend und entbehrt linguistischer Basis, denn solche Zitierformen liegen in keinem Sinne der Bildung anderer Formen zugrunde. Die lexikographische Operation, die einer Wortform ihr Lemma zuordnet, heißt Lemmatisierung. Z.B. ergibt die Lemmatisierung von schüfen schaffen, die von besserer ergibt gut.

Die Frage, was als Lexem gilt, ist in mehreren Fällen durchaus kompliziert. Lexeme, die jederzeit durch produktive Wortbildungsprozesse gebildet werden können, sind nur dann Elemente des Lexikons, wenn sie konventionell sind, also bereits zur sprachlichen Norm gehören. Bildungen wie Landesgeschäftsführerkonferenz und Nationalisierbarkeit sind zweifellos deutsche Wörter, bilden aber keinen Lexikoneintrag, weil sie nicht zum Inventar gehören.

Idiomatische Ausdrücke wie jemandem auf den Schlips treten, jemandem die Leviten lesen usw. sind Teil der Idiomatik und Gegenstand der Phraseologie. Da der Sprecher auf sie einen ganzheitlichen Zugriff hat, sind es komplexe Lexeme. Freilich ist es problematisch, sie in einem Wörterbuch zu lemmatisieren. Aber das ist eine praktische Frage, die mit alphabetischer Anordnung von Einträgen zu tun hat und sich für das Lexikon als virtuellen Wortschatz nicht stellt.

Schließlich ist zu vermerken, daß Homonyme verschiedene Lexeme sind und entsprechend in einem Wörterbuch je ein eigenes Lemma haben, während ein polysemes Lexem nur ein einziges Lemma hat.

Bremse

Lexikographische Anordnung

Im mentalen Lexikon sind die Lexeme durch die paradigmatischen und syntagmatischen Relationen geordnet und aufeinander bezogen. Es ergibt sich ein mehrdimensionales System, das die Lexikologie nachzubilden sucht. Im Wörterbuch freilich müssen die Lemmata nach einem leicht nachvollziehbaren Kriterium angeordnet sein. Da das Wesentliche am Lexikon die Paarung von Significantia mit Significata ist, geben diese beiden die hauptsächlichen Anordnungskriterien ab.

  1. Das semasiologische Wörterbuch ist nach den Significantia der Lexeme angeordnet und führt von dort zu ihren Significata (und ihren anderen lexikalischen Eigenschaften).
  2. Das onomasiologische Wörterbuch ist nach den Significata der Lexeme angeordnet und führt von dort zu ihren Significantia. Es gibt davon zwei übliche Varianten:

Literatur zur Lexikologie und Lexikographie

Cruse 1986
Perrot 1968
Schwarze & Wunderlich (eds.) 1985