Eine deskriptive (beschreibende) Disziplin geht empirisch vor. Sie beobachtet Phänomene ihres Gegenstandsbereichs, beschreibt sie und versucht, die sie strukturierenden Prinzipien aufzudecken und darüber eine Theorie zu machen. Gesetze oder Regeln sind nicht vorgegeben, sondern werden durch Verallgemeinerung über den Beobachtungen festgestellt.
Eine normative (Normen setzende) oder präskriptive (vorschreibende) Disziplin geht von Gesetzen oder Regeln aus, die vorgegeben sind und in der Disziplin tradiert und gepflegt werden. Aufgabe der Disziplin ist es, Aspekte des Verhaltens von Menschen auf Basis der Gesetze zu normieren und Abweichungen davon zu korrigieren.
Disziplinen, die auf moralischen oder ästhetischen Werten basieren, gehen oft normativ vor, denn sie setzen sich zum Ziel, diese Werte zu erhalten. Auch Grammatik begann im Altertum als normative Disziplin. Wo immer Sprachen standardisiert worden sind, gibt es eine normative Grammatik, deren Aufgabe es ist, auf die Pflege des Standards zu achten. Im Abendland ist das seit etwa 2.200 Jahren die Schulgrammatik.
Insoweit Linguistik eine empirische Wissenschaft ist, geht sie deskriptiv, nicht normativ vor. Es gilt, tatsächlich vorkommende (mündliche oder schriftliche) Äußerungen aufzunehmen, zu analysieren und die ihnen zugrundeliegenden sprachlichen Prinzipien, insbesondere die grammatischen Kategorien und Regeln aufzudecken. Diese sind also nicht vorher bekannt, sondern werden festgestellt.