Implikative Generalisierungen sind eine Art des Zusammenhangs, die man zwischen den Gegenständen eines Bereichs feststellen kann. Sie sind von besonderer methodologischer Bedeutung und werden deshalb hier separat behandelt.
1. Induktiver Ansatz
Angenommen, wir machen eine empirische Untersuchung der Verteilung zweier Eigenschaften über die Sprachen der Welt, nämlich das Verfügen über Silben der Struktur ‘VK’ (so wie dt. an) und das Verfügen über Silben der Struktur ‘V’ (so wie dt. eh). Dann ergibt sich eine Tabelle wie die folgende:
Silbenstruktur
Sprachen ╲ |
VK | V | vorkommend |
---|---|---|---|
Deutsch, Französisch | w | w | w |
– | w | f | f |
Hawaiisch | f | w | w |
Hua | f | f | w |
Diese Verteilung der Wahrheitswerte definiert die Implikation (auch ‘Konditional’ genannt): Das Vorhandensein von Eigenschaft 1 (“Implicans”) impliziert das Vorhandensein von Eigenschaft 2 (“Implicatum”; zur Logik der Implikation anderswo). Im Beispiel also: ‘wenn eine Sprache Silben der Struktur ‘VK’ hat, so hat sie auch Silben der Struktur ‘V’’. Diese implikative Generalisierung wird sodann zu einer Hypothese über den Gegenstandsbereich, die man an weiteren Stichproben überprüfen kann.
Hätte man die beiden Eigenschaften in umgekehrter Reihenfolge in die Spalteneingänge der Tabelle eingetragen, hätte sich eine Replikation ergeben. Diese ist jedoch in logischer Weise auf die Implikation bezogen; und man stellt in einem solchen Falle eine implikative Beziehung einfach dadurch her, daß man die Reihenfolge der beiden Eigenschaften in den Spalteneingängen der Tabelle umkehrt.
Auch hier gilt, daß wenn man den Zufall ausschließen kann, für die Beziehung eine innere Notwendigkeit zu suchen ist. Im Falle der Implikation ist die allgemeinste Natur einer solchen Beziehung: das Bestehen von Eigenschaft 1 in einem Individuum hängt vom Bestehen der Eigenschaft 2 ab. Eigenschaft 2 ist insoweit fundamentaler, Eigenschaft 1 dagegen ist an diese besondere Bedingung geknüpft. Es ist dann im weiteren Aufgabe der Theorie zu sehen, ob ein solcher Zusammenhang hergestellt werden kann. Beim gegebenen Beispiel sagt die Theorie der Silbenstruktur, daß im Vergleich zur optimalen Silbe ‘KV’ die Silbe ‘V’ bereits markiert ist, weil sie keinen Ansatz hat. Die Silbe ‘VK’ ist noch zusätzlich markiert, weil sie nicht nur keinen Ansatz, sondern zudem noch eine Coda hat. So läßt sich diese Implikation auf das Prinzip der einseitigen Fundierung zurückführen. Eine so in die Theorie eingebundene Hypothese wird dann zu einem Theorem.
2. Deduktiver Ansatz
Wählt man den deduktiven Ansatz, so folgert man aus der Theorie ein Theorem, das einen implikativen Zusammenhang formuliert. In der Linguistik gibt z.B. die Markiertheitstheorie solche Theoreme her. Eines davon wäre z.B.: ‘laryngalisierte Nasalvokale sind komplexer als schlichte Nasalvokale’. In dem soeben erläuterten Sinne wären somit schlichte Nasalvokale fundamentaler als laryngalisierte. Daher kann man dieses Theorem wie folgt als Implikation formulieren: ‘Wenn eine Sprache laryngalisierte Nasalvokale hat, hat sie auch schlichte Nasalvokale.’ Damit hat man das Theorem in eine falsifizierbare Hypothese konvertiert (s. zur deduktiven Methode). Um nun diese Hypothese im Gegenstandsbereich zu überprüfen, geht man im Prinzip wie beim induktiven Ansatz vor. D.h. man entnimmt eine Stichprobe und trägt die in ihr vorkommenden Kombinationen der beiden Eigenschaften in eine Wahrheitswerttafel ein. War ein Individuum in der zweiten Zeile einzutragen, ist die Hypothese falsifiziert; andernfalls kann man die Theorie so belassen.
Dieses Verfahren kann man allerdings abkürzen. Denn die Wahrheitswerttafel der Implikation lehrt, daß sie nur falsch wird, wenn das Implicans wahr, das Implicatum dagegen falsch ist. Es reicht also hin, im Gegenstandsbereich diejenigen Individuen aufzusuchen, auf die das Implicans zutrifft. (Das werden, gegeben den logischen Zusammenhang zwischen Implikation und Mengeninklusion, immer vergleichsweise wenige sein.) Nur für diese muß man also überprüfen, ob auch das Implicatum zutrifft. Im Beispiel heißt das: Man sucht Sprachen mit laryngalisierten Nasalvokalen. Davon ist eine einzige aktenkundig, das Tukuna aus Amazonien. Deren Überprüfung ergibt in der Tat, daß sie auch schlichte Nasalvokale hat. (Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, daß das Theorem damit natürlich nicht empirisch bestätigt ist; man hat es nur nicht falsifizieren können.)